Kindersitz: zulässig (in Deutschland)

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Derric
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Kindersitz: zulässig (in Deutschland)

Beitrag von Derric »

Moin!

Wollte mal ein Thema aufbringen, das in keinem Forum bisher ausführlicher beleuchtet wurde: Kindersitz im Microlino.

Ich hab mir das Thema mal in Ruhe angesehen und komme zu dem Schluss: Der Micolino darf mit einem geeigneten Kindersitz in Deutschland legal genutzt werden. Aus Sicherheits- und moralischen Gründen sollte man Kinder aber generell nicht ohne Not in einem L7E-Quad mitnehmen. Der Hersteller wählt im Handbuch seine Formulierungen so kryptisch, um Verantwortung (ggf. auch eine moralische) durch ihn selbst zu vermeiden. Wenn man an einem ECE-R16-Dreipunktgurt keinen Universalkindersitz mehr anbringen dürfen soll, wäre die Politik gefragt.

Für Interessierte eine Langfassung meiner Recherchen, dachte ich teile das mal, bevor noch jemand sich nen halben Tag damit um die Ohren schlägt:

RECHTLICH:

Universal-Kindersitze sind an Dreipunktgurten generell zulässig, wenn und soweit diese ECE R16 entsprechen, was die Gurte seit Jahrzehnten in jedem Auto müssen. Daher auch der Name "Universalkindersitz".

Exemplarisch mal im Folgenden mit einem 5-jährigen Kind und einem Kindersitz für Kinder ab 100cm Größe durchgespielt. Als Beispiel dient der Britax-Römer Traveler Plus 2 (ohne Isofix, aber i-Size, R129, etc.) für derzeit ca. 100-150 Euro, der ist wegen seiner geringen Breite und dem guten Testergebnis bei Stiftung Warentest vermutlich ganz passend für den Microlino.

Die Kindersitzpflicht beruht in Deutschland zentral auf § 21 Abs. 1a S.1 StVO. Die Vorschrift lautet im relevanten Teil:
„Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, die kleiner als 150 cm sind, dürfen in Kraftfahrzeugen auf Sitzen, für die Sicherheitsgurte vorgeschrieben sind, nur mitgenommen werden, wenn Rückhalteeinrichtungen für Kinder benutzt werden, die den in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 91/671/EWG (…) genannten Anforderungen genügen und für das Kind geeignet sind.“
Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 91/671/EWG lautet seinerseits in der maßgeblichen Fassung:
„Wird eine Kinderrückhaltevorrichtung verwendet, so muss sie nach der UN/ECE-Regelung 44/03 oder der Richtlinie 77/541/EWG oder der UN/ECE-Regelung 129 oder entsprechend nachfolgender Anpassungen dieser Regelungen bzw. dieser Richtlinie zugelassen sein. Die Kinderrückhalteeinrichtung ist entsprechend der Anleitung des Herstellers der Kinderrückhalteeinrichtung (Handbuch, Broschüre oder elektronische Veröffentlichung) einzubauen, aus der hervorgeht, auf welche Art und Weise und in welchem Fahrzeugtyp das System sicher verwendet werden kann.“
Bemerkenswert: Es kommt also nach dem Gesetz (direkt) alleinig auf auf den Kindersitz und dessen Sicherheitsanleitung (also der des Kindersitzherstellers für den Kindersitz) an.

Die maßgebliche Anleitung ist bei dem genannten exemplarischen Sitz mal nun folgende: https://manuals.britax.com/product/P1062-1
Hierin ist dann der ganz zentrale Satz wie bei jedem Universalkindersitz zu finden, der zu Recht den Namen "Universalkindersitz" trägt:
„Geeignet sind Fahrzeugsitze mit einem Drei-Punkt-Gurt, welcher nach ECE R16 oder einer vergleichbaren Norm zugelassen ist.“
Da andere Gurte seit Jahren nicht mehr zulassungsfähig sind, hat auch der Microlino einen solchen Gurt, erkennt man auch an den Stanzungen.

In den Übrigen allgemeinen Hinweisen findet sich auch der Satz
„Anweisungen des Fahrzeughandbuchs beachten und befolgen.“
Insoweit kann es dann zwar auch eine Rolle spielen, was im Microlino-Handbuch steht. Dort heißt es wörtlich: „
Kinderrückhaltesysteme / ISOFIX: Die Sitzbank in Ihrem Microlino ist nicht für Kinderrückhaltesysteme ausgelegt da es keinen ausreichenden Seitenhalt bietet. Die Sitzbänke in Ihrem Microlino sind NICHT mit ISOFIX-Kinderrückhaltesystemen ausgerüstet.“
Der Satz mit Zeichensetzungsfehler und falschem Bezugspunkt („es“) spricht also nur davon, wofür das Auto explizit „ausgelegt“ ist, nicht, dass eine Nutzung unzulässig wäre.
Zu dem fehlenden Seitenhalt: Fraglos hat ein Sitz ohne Isofix immer wenig(er) Seitenhalt, der Kindersitz kann also (bei allen KFZ ohne Sitze mit viel „Tiefgang“ in der Rückenlehne) zB. bei einer scharfen Rechtskurve zum Fahrer kippen. Da man im Microlino als Fahrer direkt dran sitzt, wird der Sitz praktisch nicht umkippen, weil die Schulter des Fahrers davor schützt. Und im Falle eines Unfalls hilft der Seitenhalt, den Universalitze ohne Isofix in anderen Autos bieten, auch nix.

MORALISCH:

Was legal ist, ist nicht immer legitim. Und da lässt sich sagen: In den Micolino gehören (nicht ohne Not) Kinder, auch keine großen. Wir wissen alle: Er ist keine Auto, sondern ein Kabinenroller, ein Spielzeug für Erwachsene. Wer sich einen Microlino leisten kann, hat außerdem meist die Mittel, Kinder sicherer zu befördern und sollte das auch einfach tun. Das ist aber letztlich wie bei allen anderen gefährlichen Verkehrsmitteln wie einem E-Scooter, einem Kindersitz auf dem Fahrrad, einem Lastenfahrrad und vielem anderem mehr. Legal heißt nicht, dass es nicht viel bessere und sicherere Wege gibt und man sich immer überlegen sollte, welcher Gefahr man ein Kind aussetzt. Machen wir uns nichts vor, Kinder sind am besten in einem „normalen“ Auto befördert, der für den Seitenhalt auch über einen Isofix verfügt. Nachhaltig ist das alles nicht und je mehr SUVs es auf den Straßen gibt, desto mehr muss jeder Gegenrüsten, um wieder sicher zu sein. Aber so ist es.


HERSTELLER:

Der Microlino ist ein Fahrzeug der Klasse 7LE, das also nur bis 450 kg ohne Akku wiegen darf. Das geht nur durch sehr viele Kompromisse, gerade auch bei der Sicherheit, wie bei jedem anderen Quad und Kabinenroller auch. Vor diesem Hintergrund ist schlicht zutreffend, was Microlino sagt: nicht dafür ausgelegt, sollte man (ohne Not) eher nicht machen.

POLITISCH:

Letztlich ist es wie so oft eine Aufgabe der Politik, zu entscheiden, ob die rechtlich bindende Kindersicherheit die nächste Stufe nehmen sollte und Kinder nur noch auf Sitzen mit Isofix sitzen dürfen. Wäre evtl. sinnvoll. Davon sind wir aber wohl noch weit entfernt. Man darf aktuell zB. nach ja ein drittes Kind ab 3 Jahren auf einer Rückbank mit normalen Anschnallgurt ganz ohne Kindersitz zwischen zwei anderen Kindersitzen ohne Isofix und Seitenhalt setzen, wenn es nicht anders geht, wie bei vielen Familien mit 3 Kindern.

Hat jemand irgendwelche anderen Erkenntnisse?
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MM494I
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Re: Kindersitz: zulässig (in Deutschland)

Beitrag von MM494I »

Danke für die ausführliche Zusammenstellung der verschiedenen Aspekte.
Ich gebe dir absolut recht: Es gibt viele sicherere Fahrzeuge oder alternativen Kinder sicher zu befördern. Aber es gibt auch unsichere, weniger spassige oder energie-aufwendigere Wege :-)

Als grosser Fan des Microlino muss ich das natürlich so drehen, dass es für mich passt :lol: - daher vergleiche ich den Microlino für den Kindertransport nicht mit der Nutzung eines "echten Autos" sondern mit der Nutzung eines Motorrad/Rollers. In der Schweiz sind ja Motorrad-Nummerschilder am Microlino - daher passt die "Ausrede" gut. Die Vespa's stehen seit mehr als einem Jahr nur noch rum.

Kurz gesagt, wenn immer möglich nutzen meinen Jüngste (8j.) und ich den Pioneer und wir haben jedes Mal riesig Spass weil es einfach Freude macht.
Auf Schnellstrassen und Autobahnfahrten sind die Kinder nicht dabei!
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